Kommt ein 84-jähriger Mann zu uns mit morgendlichen Schmerzen der oberen Halswirbelsäule. Er war schon vorher bei anderen Ärzten und schließlich kam er zu uns geschickt vom Röntgenologen, der erschrocken war. Der alte Herr hatte eine Fraktur der obersten Halswirbel mit dem zweiten. Der Dornfortsatz am Beginn des Spinalkanals war ohne Verschiebung an der Base gebrochen. Das kann bei entsprechender Blutung zum sofortigen Tod führen. Das Ehepaar wusste es nicht mehr genau: Der Sturz war vor einem oder zwei Monaten. Keinerlei klinische Zeichen für eine neurologische Störung - nur die hohen morgendlichen Nackenschmerzen. Jetzt hat er erst einmal eine Halskrause. Erstaunlich, wie jemand so etwas überlebt. Aber es kann auch anders kommen.
Eine dicke Amerikanerin kommt ihre Familie hier in Shell besuchen. Hoher Blutdruck, Diabetes etc. hat sie mitgebraucht. Ihr Kardiologe hat ihr grünes Licht für die Reise gegeben. Hier stürzt sie auf ihr ohnehin kaputtes Knie und kommt zu uns. Diagnose: Kniearthrose und eine mögliche, wenn auch nicht verschobene Schenkelhalsfraktur. Sie darf belasten und bekommt Schmerzmittel. Sie wird abgeholt. 15 Min. später der Anruf: Sie ist tot. Die Autopsie ergab einen plötzlichen Herztod. Die Familie ist geschockt. Die Mission hat viel Arbeit, den Leichnam nach den USA zu verlegen. Für uns war es eine schreckliche Überraschung. Das gehört zum Leben in einer Klinik.
Eine Studentin im zweiten Semester in Quito kommt zu uns, weil sie von hier ist. Sie hat Klaustrophobie, wird im eng gedrängten Bus in Quito unruhig und schafft das nicht. Das ist ein Thema der Familientherapie für Klaudia. Da sind Themen der Familie seit Jahren, die nicht aufgearbeitet sind und an so einer "seltsamen Stelle", weit ab vom eigentlichen Geschehen, bricht es auf. Da können wir helfen, manchmal auch ohne Medikamente.
Ein alter Mann aus dem Urwald - so alt ist er gar nicht laut Geburtsdatum - kommt mit Atemnot zu uns. Die Lungen sind voller Fibrose = Vernarbung des Gewebes. Und es ist möglich, dass er noch zusätzlich Tuberkulose hat. Die hat nach einigen Tagen als negativ erwiesen. Schuld ist wohl das tägliche Kochen in der Hütte mit viel Qualm und Rauch durch nasses Brennholz. Viel helfen können wir ihm auf Dauer nicht. Jetzt nutzen wir jede Chance, den Schleim zu verdünnen, um die Lungen so gut wie möglich frei zu halten.
Motorradunfall vor fast einer Woche. Der Mann lag mehrere Tage zu Überwachung im staatlichen Krankenhaus: Leichte Hirnblutung bei Stirnfraktur. Alle sonstigen Röntgenaufnahmen normal. 2 Tage nach Entlassung kann er vor Schmerzen seinen rechten Arm nicht mehr bewegen. Die Familie verlangt eine Röntgenaufnahme, obwohl angeblich alles dort untersucht wurde. Ergebnis: Eine komplexe Schulterblattfraktur - eine CT-Untersuchung zeigt, dass wir nicht operieren müssen. Die heilt so - aber es wird Wochen dauern, bis er wieder "normal" bewegen kann. Und so ganz nebenbei sind auch noch 5 Rippen gebrochen.
Wir sind nicht mehr die erste Adresse bei Unfällen und schweren Erkrankungen. Aber wir sind ein wichtiger Knotenpunkt bei entscheidenden Fragen.