Sonntag, 5. Juli 2020

Konfliktlösung auf ecuatorianisch

 
  Leben in Coronazeiten. Es kommt ein Shuarindianer wegen "Bauchbeschwerden“ in die normale Ambulanz, bei der ersten Untersuchung bricht sein Kreislauf zusammen - Atemnot - ab in die Coronaabteilung - Sauerstoff - Ruf nach einem Krankenwagen zur Verlegung, denn wir sind nur Tagesklinik - Reanimation erfolglos - er verstirbt nach kurzer Zeit. Einer seiner Söhne und die Schwiegertochter sind dabei und erzählen uns später, dass er nachweislich an Corona erkrankt war. Das ist eine unnötige Gefährdung unseres Personals. Das hätten si uns sagen müssen.
Die Familie handelt rasch, setzt den Toten auf die hintere Bank des Taxis, mit dem er gekommen war, einer rechts - eine links zur Stütze. Da habe ich dann das Tor schließen lassen. So geht das nicht. Polizei - Staatsanwaltschaft - Gerichtsmedizin - insgesamt 16 Mann haben unsere Straße abgesperrt. Der Tote wurde doppelt in Folie eingewickelt, es kam ein Sarg. Der Familie wurde gesagt, dass der Tote in sein Heimatdorf gebracht würde. Die Feuerwehr kam und verschwand mit dem Sarg. Der Sohn mit Frau mussten die 10 km nach Puyo laufen, kamen um Mitternacht zuhause an. Wir haben noch mit der Familie telefoniert - Aber, welche Überraschung,  der Tote wurde nicht in sein Dorf gebracht, sondern in Shell beerdigt. Da kochte die Volksseele der Indigenen.
Ein langer Prozess folgte, Radiointerviews und schließlich ein juristischer Prozess unter anderem mit wüsten Worten gegen unser Hospital und Androhung wegen medizinischen Kunstfehlern mit entsprechenden Folgen.
Einen Monat später startete der Prozess gegen die staatlichen Stellen und uns. Der Arzt, der den Totenschein ausgestellt und die Reanimation zu verantworten hatte, trat als Zeuge auf - keine Beanstandung. Weitere Mitarbeiter werden folgen.......... Das Verfahren zieht sich hin.
Und plötzlich die Wende: Die Indigenen haben mehrere Personen, darunter Polizisten gekidnappt. Auf einmal geht alles ganz schnell. 6 Wochen nach der Beerdigung wird der Sarg ausgegraben und ins Heimatdorf zur Beerdigung gebracht. Ob das das Ende des Prozesses ist, wissen wir nicht. Dürfte es eigentlich nicht. Aber da ist das staatliche System - Recht und Ordnung auf einer Seite - klare Konsequenzen auf der anderen. Was ist besser? Ein langer Prozess mit hohen Kosten an Geld und Zeit, oder eine klare Lösung, weil die Familie von staatlichen Stellen wirklich übers Ohr gehauen wurde. So haben wir hoffentlich Frieden, wenn auch auf andere Art und Weise.