Montag, 7. Dezember 2020

Zukunft von Shell - an einem Beispiel

Wir haben zwei große Operationen hinter uns. Eine Patientin aus dem Urwald kam zu uns in Behandlung - Gebärmutterkrebs mit einem großen Tumor aber gut beweglich. Solche Patienten senden Kliniken normalerweise zum Krebsinstitut entweder direkt (Selbstzahler) oder über das Gesundheitsministerium (die tragen die Kosten). Was wäre die Lösung gewesen? Bei Covid-19, Weihnachten, Neujahr und langen Wartezeiten, wäre eine Indianerin aus dem Urwald in frühestens 3 Monaten operiert worden, andere sagen 6 Monate.
Sie ist arm dran, hat ihren Ehemann vor 6 Monaten durch Covid verloren und 6 Kinder zuhause. Eine große Familie trägt sie, aber sie haben die $ 1000,- für den Anfang plus das Geld für einige Blutkonserven gestemmt (Hb anfangs in knapp 7 gr%).
Wir haben sie operiert, unsere neue Gynäkologin und ich. Der Tumor war größer als erwartet.  Wir haben ihn im Gesunden entfernt, keine weiteren Lymphknoten tastbar. Aber sie hatte vorher schon sichtbar Blut im Urin obwohl der Tumor nicht in die Harnblase eingedrungen war. Bei der Gebärmutterentfernung war klar, dass die Harnleiter mitten im Tumor waren. So war am anderen Tag eine weitere OP nötig - die Neueinpflanzung der Harnleiter in die Blase. Einen Tag später war die Patientin zuhause und wird weiter ambulant behandelt. Noch ist sie nicht gesund aber hat eine Perspektive.
Warum erzähle ich die Geschichte, nicht um uns groß herauszustellen.

Sie zeigt die Zukunft des Hospitales an. Eine Gynäkologin wird jetzt hoffentlich Mut bekommen, so etwas in Zukunft mit meiner Assistenz selbst zu machen.
Wir haben einen Allgemeinchirurgen, der Operationen von Gallenblasen, Leistenbrüchen etc. übernehmen wird. Aber einen Darmkrebs hat er noch nie in seinem Leben operiert. Solche Patienten schickt er gleich weiter. Ich sehe die Zukunft unseres Hospitales mit solchen Extremen schwierig. Wir bräuchten eine Unmenge von "Spezialisten" die aber alle nur ein kleines Spektrum der Medizin abdecken. Sie senden weiter zu anderen. Das große Zentrum unseres Hospitales wird verwässert und viel teurer, denn wer Patienten zu anderen überweist, verteuert die Medizin.
Die Unfallchirurgie ist ein klassisches Beispiel heute. Unterarmbrüchen von Kindern werden sehr häufig operiert. Diese Wochen beendete ist eine Behandlung eines 8-jährign Jungens mit einem körperfernen  Bruch der Speiche "nur" mit Gips nach 6 Wochen. Der Vater bedankte sich mit den Worten, das andere Krankenhaus wollte $ 1.800,- für die "lebensnotwenige" Operation des Kindes.
Fazit der letzten Tage. Eckehart muss lernen abzugeben, aber auch die nächsten Monate Mitarbeiter anzuleiten, Mut zu haben und Operationen selbst durchzuführen. Es ist ein Sterbeprozess aber nötig, dass etwas Neues wächst. Wir bitten um Weisheit und Gebet.


Sonntag, 4. Oktober 2020

Umstellung, ist derzeit das Thema unseres Hospitals.                           Kurzbrief # 1416

 Unsere neue Gynäkologin hat wenig Erfahrung beim Operieren. Also wird Eckehart ihr assistieren, damit sie auch bei Komplikationen fit wird, denn Schwierigkeiten müssen wir selbst meistern.

 Unsere Allgemeinärzte haben sich zu lange ausgeruht und vieles Schwierige an Eckehart abgegeben. Sie müssen lernen, kleinere chirurgische Eingriffe selbst durchzuführen.

 COVID - 19 hatte das Land lange im Griff. Erst vor kurzem wurden die Bestimmungen in Ecuador gelockert, fahren auch wieder Busse im Land. Wir führen kaum noch Antikörpertests durch. Dafür sind insgesamt 6 Mitarbeiter durch diese Krankheit gegangen. Keiner war  ernsthaft erkrankt.

 Neue, gebrauchte Geräte: Wir suchen noch immer nach einer Laparoskopie - Einheit und sind auf eine Spende gespannt. Und wenn sie Wirklichkeit wird, dann muss sie durch den Zoll in Ecuador, wieder ein Papierkrieg, der sich aber lohnt. Wir beten für ein Röntgengerät im OP (Flouroskopie).

Unser Ultraschallgerät ist am Ende. Genau zwei Jahre hat es uns gute Dienste geleistet - ein Geschenk aus den USA. Doch jetzt gibt es keine Ersatzteile mehr und ein Techniker müsste für teures Geld aus Kolumbien eingeflogen werden. Wir haben uns entschlossen, ein neues Gerät zu kaufen mit Garantie, noch mehr Möglichkeiten und 10 Jahre Ersatzteile - Garantie. Ultraschall ist für uns ein wichtiger Bestandteil unserer Klinik und wir haben einen Allgemeinmediziner (natürlich aus Kuba), der 4 Jahre lang in einem staatlichen Hospital alle Ultraschalluntersuchungen durchführt hat - eine große Hilfe - für wie lange bleibt er bei der Minimalbezahlung bei uns?

 Im November beginnt das zweite Jahr des Kaufvertrages mit Reach Beyond und wir sollten wieder die Jahresrate innerhalb von 12 Monaten abbezahlen. Derzeit sind wir "Eigentümer zu 33%". Wir warten auf Hilfe von außen.

 Umstellung ist uns wichtig. Andere übernehmen Verantwortung. Und wir bauen auf viele Freunde, die uns in Gebet und Gaben zur Seite stehen. Derzeit verbringt Sophia Kiewel das dritte Mal einen Einsatz in Shell. Sie kam vor zwei Jahren als Kurzzeitlerin über die DMG zu uns. Derzeit ist sie in ihrer Ausbildung im OP einer Uniklinik. Ihren "Urlaub" verbringt sie bei uns im OP und ist auch sonst hilfreich dabei. Es ist noch Platz für andere kurz- oder längerfristige Hilfe.

Umstellung von Verantwortung ist derzeit Priorität in unserem Hospital, denn in wenigen Wochen werden wir die Notaufnahme renoviert und erweitert haben. Dann bieten wir Notfallbehandlung zunächst erst bis Mitternacht an. Die komplette Öffnung als Hospital erfordert deutlich mehr Personal und das wollen wir schrittweise erproben. Aber dazu muss das erweiterte Team erst einmal geistlich zusammenwachsen. Nur dann sind wir ein Zeugnis nach außen. Deswegen kleine aber mehrere Schritte.

Dank für alle kleine und große Hilfe über die Deutsche Missionsgemeinschaft und die Mexikoarbeit (FMIB).

Eckehart & Klaudia Wolff


Sonntag, 6. September 2020

Änderungen einer Kultur

Immer wieder haben wir berichtet, wie die "Welt der Weißen" in den Urwald eindringt. Immer mehr Gebiete werden zu Viehweiden und Ackerflächen. Derzeit wächst vor allem von Brasilien her oft durch Chinesen der Handel mit Holz, allen voran von Balsaholz. Die Indigenen an den großen Flüssen haben plötzlich Geld. Handytelefone sind auch dort Standard.
Wir haben auch schon darüber berichtet, wie die Schulbildung bis zum Abitur hin das Leben der Menschen des Urwaldes verändert. Es sind häufig die Lehrer, die sich an den Mädchen vergehen. Wenn bisher ein junger Mann mit 16 - 18 und eine junge Frau mit 13 - 15 geheiratet haben, ist nun eine Ehe unter 18 Jahren grundsätzlich verboten, was sich in der Praxis aber erst langsam durchsetzen wird.
Ich merke derzeit bei meinen Patienten ebenfalls Änderungen.
Eine Huauranifrau kommt mit ihrem 3-Jährigen in die Sprechstunde. Nach kurzen Untersuchungen steht fest: Der Kleine leidet an einem bösartigen Lebertumor. Die Mutter hat sich vom Vater des Kindes getrennt, lebt hier in einer Siedlung von besetztem Land. Sie lebt von Gelegenheitsarbeit. Jetzt muss sie zur Behandlung nach Quito. Dort werden über Wochen Voruntersuchungen durchgeführt, bei der sie in der Praxis viel selbst bezahlen muss. Das Geld hat sie nicht und mit der Großstadt kommt sie auch nicht klar. Also klappt das wohl so nicht. Doch für die alleinstehende Mutter ist der Junge der ganze Lebensinhalt…………
In ihrem Heimatdorf ist sicher auch nicht alles ideal, aber da sind noch Nachbarn und Familie da. Die Gemeinschaft trägt auch in schwierigen Situationen.
Eine andere >Beobachtungen bei Huauranifrauen ist derzeit, dass erstmals 2 Frauen mit Gallensteinen und entsprechenden Beschwerden kommen. Ich habe nicht NIE in 31 Jahren einen Huaurani wegen Gallensteinen operiert und die sollen jetzt ihren Angehörigen diese seltsame Erkrankung erklären oder gar die Operation.
Grund sind die geänderten Essgewohnheiten, wenn Urwaldbewohner sich hier wie die anderen ernähren. So ändert sich unsere Welt und das fand und findet ständig auf der Welt statt. Die Welt wird immer einheitlicher.
 

Mittwoch, 2. September 2020

Gas geben und ausgebremst werden,             Shell, 02. Sep. 2020   # 1413
so fühlen wir uns derzeit. Wir leben in einer Zeit der Änderungen, denn unser Hospital wächst derzeit besonders bei den operativen Eingriffen. Aber auch ambulante Patienten kommen weiterhin.
Seit Monaten vorbreitet haben wir jetzt die Ausrüstung für Magen-und Darmspiegelungen bereit. Seit Monaten wartet der Gastroenterologe darauf. Jetzt hat er abgesagt. Wir suchen erneut. Ich werde jetzt langsam anfangen und das Team darin schulen.
Ein Augenarzt hat Anfang Januar angefangen, dann konnte er wegen Corina nicht kommen, weil er zu weit weg wohnt. Jetzt hat auch er abgesagt.
Ein Kollege war die ganze Zeit schon oft schlecht gelaunt und hat für ein schlechtes Klima gesorgt. Heute hat ER von sich aus gekündigt und wir sind froh, dass wir ihm nicht für teures Geld entlassen mussten.

Der Rest des Teams aber ist stabil. Schwierigkeiten bereiten die Nachtwachen. OPs kommen oft unverhofft als Notfälle oder bei Geburten. Da müssen wir jetzt eine Lösung suchen bei flexiblen Mitarbeitern. Eine feste Nachwache aber lohnt sich finanziell derzeit nicht.
Lichtblick ist aber derzeit eine Gynäkologin, die vor kurzem ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Sie war zum Kennenlernen hier und beginnt in wenigen Tagen ihren Dienst. Zusammen mit einer unserer Allgemeinärztinnen wird sie das Geburtsteam bilden. Diese bisherige Mitarbeiterin hat diese Woche ihre ersten 2 Kaiserschnitte mit sicherer Hand durchführt. Ich darf abgeben. Gynäkologie und Geburtshilfe sind derzeit die Wachstumsmotoren unserer Klinik.
Ein neuer kubanischer Allgemeinmediziner hat dieser Tage bei uns angefangen. Er hat jahrelange Erfahrung im Ultraschall. Hoffentlich bleibt er, denn bei aller Erfahrungen mit Kubanern sind diese oft auf der Suche nach der finanziell attraktivsten Arbeitsstelle und über Nacht wieder weg. Wir haben 4 solcher Kubaner über Nacht verloren.
Der ecuatorianische Allgemeinchirurg wartet immer noch auf den Anfang bei uns, aber das geht nicht ohne die laparaskopische Ausrüstung. Bitte betet, dass sie als Spende erhalten!!!!
Mit einem Kinderorthopäden sind wir im Gespräch für Februar 2021. Aber seine Frau möchte lieber nach Quito ziehen und nicht aufs Land. Wir beten. Und wenn er kommt, braucht er einen C-Bogen, ein Röntgengerät für die OP - Kosten neu $ 120.000,- Wir hoffen auf ein gebrauchtes Gerät.

Mancher wird fragen, warum wir nicht mehr Geduld haben. Klaudia und Eckehart planen ihren Ausstieg. Im April 2021 hört Eckehart mit dem Operieren auf und beschränkt sich auf Sprechstunde und Verwaltung. Im Sommer 2022 wollen wir dann alles abgeben und wegziehen.
In der Verwaltung übt sich eine weitere Person, Leitungsaufgeben von Klaudia zu übernehmen. Wir überarbeiten derzeit alle Arbeitsverträge und müssen sie an die Zukunft mit mehr Nachtdienst und der 24 Std Notfallambulanz anpassen. Ein Mitarbeiter eines staatlichen Hospitals berät uns derzeit in der Abrechnung bei stationärer Behandlung und den OPs. Noch rechnen wir oft pauschal ab, aber wenn die verschieden Ärzte ihren Anteil haben wollen und sollen, braucht es mehr Transparenz mit den Nebenwirkung von viel mehr Verwaltungsarbeit.
Wenn wir "Alten" nicht auf Tempo drücken, sind wir noch in 10 Jahren hier. Deswegen müssen Änderungen jetzt hat dabei machen wir sicher auch noch hier und da schlechte Erfahrungen, aber das Risiko müssen wir eingehen und neue Leute sollen ihre Chance bekommen. Danke für alles Gebet für den Wandel!!!
 

Sonntag, 2. August 2020

Wir leben von den Überraschungen Gottes

Wir sind scheinbar auf dem Coronahöhepunkt in Ecuador. 40% der Patienten, die wir auf Antikörper testen, sind positiv und gehen in Quarantäne. Nur wenige sind da durch und resistent. Die Ausgangsperren an den Wochenenden wurden verschärft. Es besteht ein Alkohol - und Partyverbot. Die Krankenhäuser sind überfüllt. Ein großes Hospital in Quito hat 5 Stockwerke für Coronapatienten eingerichtet. Manche Freunde tuen sich schwer in der Erholung. Mehrere Gemeindemitglieder von San Marcos in Quito beklagen verstorbene Angehörige. In der Hauptstadt richten sie in einigen Stadtteilen Zelthospitäler ein. Mitarbeiter der staatlichen Gesundheitsdienste dürfen nicht kündigen......

Uns darf es gut gehen. Wir sind kein Coronahospital. Drei unserer Mitarbeiter sind mittlerweile wieder gesund. Sie haben sich nicht bei der Arbeit angesteckt. Und die meisten Patienten zeigen nur milde Symptome.

Eine Überraschung war für uns die Spende vieler Freunde aus Deutschland und der Schweiz. So konnten wir die nächste Quote der Abzahlungen an Reach Beyond überweisen. Wir sind jetzt zu 33% Besitzer und haben damit nach der ersten Anzahlung die Jahreszahlungen für das erste Jahr erfüllt.  Ab November 2020 beginnt das zweite Zahlungsjahr. Unsere Einnahmen decken derzeit unsere Ausgaben. Die Covidtests machten es möglich. Jetzt wollen wir die quantitativen Tests anbieten. Das ist derzeit gefragt.

Die große Überraschung der letzten Tage war ein Besuch einer Kirche aus Portoviejo an der Küste Ecuadors. Sie hatte einst vor, selbst ein Hospital zu bauen. Doch das klappte nicht. Mit dem neuen Geschäftsführer beschlossen sie, alles abzugeben, was da seit Jahren in den Stauräumen lag und nicht gebraucht wurde. So schenkten sie uns einen OP-Tisch, ein Narkosegerät, OP-Instrumente, OP-Kleidung, Lampen und anderes mehr - ein Lastwagen voller Geschenke. Eine Gruppe dortiger Mitarbeiter hat den Transport begleitet. Wir kennen deren Arbeit dort schon viele Jahre. Jetzt sind wir beschenkt worden. Sie legen den Schwerpunkt ihrer Arbeit mehr auf ambulante Krankenpflege, Hausbesuche und soziale Unterstützung im Wohnbereich der Menschen.

Die Renovierung des ambulanten Bereiches unseres Hospitales ist fast abgeschlossen. Demnächst zieht die Verwaltung in die neuen Räume gefolgt vom IT-Bereich, Dann fehlt nur Weniges, bis die Notfallräume als nächstes größeres Projekt an der Reihe sind. Da müssen dann statisch wichtige Wände gestützt werden. Anfang 2021 wollen wir dann zu 24 Std. Notfallversorgung 7 Tage die Woche aufstocken.

Unser größter derzeitiger Wunsch ist eine Laparaskopie- Ausrüstung für die minimal-invasive Bauchchirurgie. Da fehlt uns noch fast alles: Die Lichtquelle, die Co2-Belüftung und vor allem die Kamera mit Bildschirm. Hierzulande kostet das System neu  40 - 70.000 Dollar. Dieses Geld haben wir nicht. Gibt es in Eurem Bekanntenkreis ein Hospital, eine Klinik, die uns so ein Gerät vielleicht gebraucht aber in gutem Zustand verkaufen/schenken könnte? Der teuerste Teil ist die Kamera. Wir beten da auch um eine Überraschung.

Danke für alle Begleitung in Gebet, Gaben und Mitdenken. Wir wissen, dass wir nicht allein sind. Gottes Segen auch an Euch,

Eckehart & Klaudia


Sonntag, 5. Juli 2020

Konfliktlösung auf ecuatorianisch

 
  Leben in Coronazeiten. Es kommt ein Shuarindianer wegen "Bauchbeschwerden“ in die normale Ambulanz, bei der ersten Untersuchung bricht sein Kreislauf zusammen - Atemnot - ab in die Coronaabteilung - Sauerstoff - Ruf nach einem Krankenwagen zur Verlegung, denn wir sind nur Tagesklinik - Reanimation erfolglos - er verstirbt nach kurzer Zeit. Einer seiner Söhne und die Schwiegertochter sind dabei und erzählen uns später, dass er nachweislich an Corona erkrankt war. Das ist eine unnötige Gefährdung unseres Personals. Das hätten si uns sagen müssen.
Die Familie handelt rasch, setzt den Toten auf die hintere Bank des Taxis, mit dem er gekommen war, einer rechts - eine links zur Stütze. Da habe ich dann das Tor schließen lassen. So geht das nicht. Polizei - Staatsanwaltschaft - Gerichtsmedizin - insgesamt 16 Mann haben unsere Straße abgesperrt. Der Tote wurde doppelt in Folie eingewickelt, es kam ein Sarg. Der Familie wurde gesagt, dass der Tote in sein Heimatdorf gebracht würde. Die Feuerwehr kam und verschwand mit dem Sarg. Der Sohn mit Frau mussten die 10 km nach Puyo laufen, kamen um Mitternacht zuhause an. Wir haben noch mit der Familie telefoniert - Aber, welche Überraschung,  der Tote wurde nicht in sein Dorf gebracht, sondern in Shell beerdigt. Da kochte die Volksseele der Indigenen.
Ein langer Prozess folgte, Radiointerviews und schließlich ein juristischer Prozess unter anderem mit wüsten Worten gegen unser Hospital und Androhung wegen medizinischen Kunstfehlern mit entsprechenden Folgen.
Einen Monat später startete der Prozess gegen die staatlichen Stellen und uns. Der Arzt, der den Totenschein ausgestellt und die Reanimation zu verantworten hatte, trat als Zeuge auf - keine Beanstandung. Weitere Mitarbeiter werden folgen.......... Das Verfahren zieht sich hin.
Und plötzlich die Wende: Die Indigenen haben mehrere Personen, darunter Polizisten gekidnappt. Auf einmal geht alles ganz schnell. 6 Wochen nach der Beerdigung wird der Sarg ausgegraben und ins Heimatdorf zur Beerdigung gebracht. Ob das das Ende des Prozesses ist, wissen wir nicht. Dürfte es eigentlich nicht. Aber da ist das staatliche System - Recht und Ordnung auf einer Seite - klare Konsequenzen auf der anderen. Was ist besser? Ein langer Prozess mit hohen Kosten an Geld und Zeit, oder eine klare Lösung, weil die Familie von staatlichen Stellen wirklich übers Ohr gehauen wurde. So haben wir hoffentlich Frieden, wenn auch auf andere Art und Weise.

Montag, 22. Juni 2020

Wer hat Lust mit mir zu philosophieren?


 2020-06-18 Mein Besuch im Centro de personas de privado de libertad CPPL (Carcel)
Durch die erzwungenen Besuche im Frauengefängnis von Quito, damals 2004/5, die nach dem Praktikum von Sina Kremers (Radunski) an mir hängen geblieben war, hatte ich einen Hang zu diesen Menschen. In Quito war ich damals einige Male Sonntagmorgen ins Gefängnis gegangen, um den Frauen zu begegnen. Von selbst wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dort zu sein oder diese Menschen zu besuchen.
Als jetzt die Frage aufkam, wer geht ins Gefängnis, habe ich mich gleich gemeldet. Wir sollten die Immunproben für COVID 19 an 80 Leuten machen. Dr. Diego Guaranga und der Interno Pablo gingen mit. Ich dachte, erst sollte ICH die Proben machen, dann wurde vor Ort klar, dass Diego und Pablo abwechselnd die Untersuchungen und die Proben machten und ich die Leute begrüßte und aufschrieb.
Bei der Datenaufnahme fragte ich sie meist, wie lange sie schon hier seien, ob sie schon ihr Urteil bekommen hätten und was die Verurteilung ergeben hat. Oft konnte ich noch fragen, warum sie denn ins Gefängnis gekommen wären und bei vielen war die Antwort: es war ein Versehen, ich bin ja eigentlich ganz unschuldig hier.
Das brachte mich auf die Idee, dass wir als Menschen ganz generell jegliche Schuldzuweisung von uns abwehren. Wer nicht ganz „scrupuloso“ ist, wie Luther es früher formulierte, d.h. ein sehr enges Gewissen hat, der denkt doch von sich: also ein schlechter Mensch bin ich doch eigentlich nicht. Dabei übersehen wir, dass in uns allen die Leuchte Gottes wohnt, wir haben vom Lebensbeginn an, eine Ahnung, wer wir sein könnten. Und dann suchen wir den Teufel außerhalb von uns und merken gar nicht, dass er in uns ist. „Zwei Seelen schlummern ach in meiner Brust“ schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Und Paulus beschreibt diesen Tatbestand sehr schön am Ende des 7. Kapitels des Römerbriefes. Mein Blick ist verstellt. Ich habe einen blinden Fleck, der die eigenen Fehler nicht wahrnehmen kann. Und bei manchen ist dieser Fleck ganz schön groß, bei anderen weniger.
Je mehr wir zulassen, dass wir von außen angeschaut und korrigiert werden, um so mehr verkleinert sich dieser blinde Fleck, aber da sein wird er wohl unser Leben lang. Das ist die Seite an uns, die den anderen Menschen in unserem Leben aufregt, zornig macht, ja zur Weißglut bringt. Immer wieder macht sie denselben Fehler, immer wieder ist sie zu spät - zu kleinlich - zu großzügig - zu ungenau. Unsere Ecken und Kanten müssen uns von anderen gesagt werden. Und dann hängt es immer noch an uns, was wir mit dieser Information machen. Wollen wir uns das sagen lassen, wollen wir uns wirklich ändern, oder ist es nicht viel bequemer, bei meinem Standpunkt zu bleiben?
Wenn ich einmal erlebt habe, was passiert, wenn ich mich für etwas entschuldige, was ich falsch gemacht habe, wenn ich es erkennen und zugeben kann, dann will ich nicht mehr hinter diese Erfahrung zurück. Wenn das schon bei uns Menschen so beglückend ist, wieviel mehr ist das im Verhältnis zu Gott. Wenn ich zu ihm zurück komme und mich in seine Arme werfe und zugebe, dass ich unfähig bin von mir aus nach seinem Standard zu leben, mache ich IHN glücklich und mich selber.