2020-06-18
Mein Besuch im Centro de personas de privado de libertad CPPL (Carcel)
Durch die erzwungenen Besuche im Frauengefängnis von Quito,
damals 2004/5, die nach dem Praktikum von Sina Kremers (Radunski) an mir hängen
geblieben war, hatte ich einen Hang zu diesen Menschen. In Quito war ich damals
einige Male Sonntagmorgen ins Gefängnis gegangen, um den Frauen zu begegnen.
Von selbst wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dort zu sein oder diese
Menschen zu besuchen.
Als jetzt die Frage aufkam, wer geht ins Gefängnis, habe ich
mich gleich gemeldet. Wir sollten die Immunproben für COVID 19 an 80 Leuten
machen. Dr. Diego Guaranga und der Interno Pablo gingen mit. Ich dachte, erst
sollte ICH die Proben machen, dann wurde vor Ort klar, dass Diego und Pablo
abwechselnd die Untersuchungen und die Proben machten und ich die Leute
begrüßte und aufschrieb.
Bei der Datenaufnahme fragte ich sie meist, wie lange sie
schon hier seien, ob sie schon ihr Urteil bekommen hätten und was die
Verurteilung ergeben hat. Oft konnte ich noch fragen, warum sie denn ins
Gefängnis gekommen wären und bei vielen war die Antwort: es war ein Versehen,
ich bin ja eigentlich ganz unschuldig hier.
Das brachte mich auf die Idee, dass wir als Menschen ganz
generell jegliche Schuldzuweisung von uns abwehren. Wer nicht ganz „scrupuloso“
ist, wie Luther es früher formulierte, d.h. ein sehr enges Gewissen hat, der
denkt doch von sich: also ein schlechter Mensch bin ich doch eigentlich nicht.
Dabei übersehen wir, dass in uns allen die Leuchte Gottes wohnt, wir haben vom
Lebensbeginn an, eine Ahnung, wer wir sein könnten. Und dann suchen wir den
Teufel außerhalb von uns und merken gar nicht, dass er in uns ist. „Zwei Seelen
schlummern ach in meiner Brust“ schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Und Paulus
beschreibt diesen Tatbestand sehr schön am Ende des 7. Kapitels des
Römerbriefes. Mein Blick ist verstellt. Ich habe einen blinden Fleck, der die
eigenen Fehler nicht wahrnehmen kann. Und bei manchen ist dieser Fleck ganz
schön groß, bei anderen weniger.
Je mehr wir zulassen, dass wir von außen angeschaut und
korrigiert werden, um so mehr verkleinert sich dieser blinde Fleck, aber da
sein wird er wohl unser Leben lang. Das ist die Seite an uns, die den anderen
Menschen in unserem Leben aufregt, zornig macht, ja zur Weißglut bringt. Immer
wieder macht sie denselben Fehler, immer wieder ist sie zu spät - zu kleinlich
- zu großzügig - zu ungenau. Unsere Ecken und Kanten müssen uns von anderen
gesagt werden. Und dann hängt es immer noch an uns, was wir mit dieser
Information machen. Wollen wir uns das sagen lassen, wollen wir uns wirklich
ändern, oder ist es nicht viel bequemer, bei meinem Standpunkt zu bleiben?
Wenn ich einmal erlebt habe, was passiert, wenn ich mich für
etwas entschuldige, was ich falsch gemacht habe, wenn ich es erkennen und
zugeben kann, dann will ich nicht mehr hinter diese Erfahrung zurück. Wenn das
schon bei uns Menschen so beglückend ist, wieviel mehr ist das im Verhältnis zu
Gott. Wenn ich zu ihm zurück komme und mich in seine Arme werfe und zugebe,
dass ich unfähig bin von mir aus nach seinem Standard zu leben, mache ich IHN
glücklich und mich selber.
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