Samstag, 23. Mai 2020

Coronazeit - Katastrofe - und eine Chance

Alle Welt stöhnt über die Coronabeschränkungen, aber es gibt auch viel Neues. Heute ein kleines upädate aus unserer Gemeinde in Quito,in der wir physisch seit 2 1/2 Monaten nicht mehr anwesend waren.
Montag bis Samstag haben wir jeden Abend eine Gebetszeit. Typisch Latinokultur beginnt sie meistens etwas verspätet - 1 Std. Heute endete sie um 22.30 - so viele Gebetsanliegen über Facebook und toutube parallel. Die Mitbeten kommen aus den USA, aus Spanien, Chile, Brasilien, Deutschland und natürlich Ecuador. Es kommen Menschen dazu, die der Gemeinde längst den Rücken gekehrt haben. Der Weg zur Gemeinde ist für alle gleich weit - ein Handyclick.
Jetzt fangen die Hauskreise wieder an pero Zoom und ähnlich Medien. Und wir Leiter haben wohl noch nie soviel telefoniert wie in diesen Tagen. Da viele nicht aus dem Haus können, vor allem die Alten, erreichen wir sie fast den ganzen Tag. Wir haben unsere Arbeitszeit umgestellt. In den Arbeitspausen können wir anrufen, eine Chance, an die wir früher nie gedacht haben. Das Argument: "Die Pastor hat uns noch nie besucht!" gibt es nicht mehr. Wir schaffen als Leiter "viele Besuche" pro Tag.
Eine Gruppe liegt uns sehr am Herzen: Unsere venezolanischen Flüchtlinge. Sie lebten von Gelegenheitsarbeiten, waren Aufpasser in Parkregionen, wuschen die Fensterscheiben der Autos an Ampeln oder verkauften Bonbons auf der Straße. Das alles ist jetzt weggefallen. Es gibt eine Regierungsanordnung, dass keiner in dieser Krisenzeit wegen fehlender Mietzahlungen auf die Straße gesetzt werden darf. Aber wenn die Mietschulden anwachsen - dann schaut man sich nach etwas anderem um. Sie wollten in unserer Gemeinde Zimmer in Beschlag nehmen - doch dann werden wir sie nicht mehr ohne Ärger los.
Es sind z.T. junge Christen. Im Januar hatten wir ein Tauffest mit vielen von ihnen. Sie sind ein lebendiger Teil von uns. Die Finanzen der Gemeinde sind auch nicht stabil. Jetzt hatten sie selbst die Idee, in unserer Kirche Essen zu kochen und in den wenigen offenen Stunden auf der Straße zu verkaufen. Die Reife dieser Christen sieht man aber darin, dass Essen vor allem für ihre Landsleute zubereiten, die um die venezolanische Botschaft auf irgendwelche Papieren warten. Dort bieten sie ihnen Essen und Evangelium an. Die Initiative kam von ihnen.
Manchmal möchte man beten: Gott, lass diese Zeit nicht zuende gehen. Es wächst soviel Neues : Jeden Abend ein Predigt und langes Gebet - das Kirchengebäude ist unwichtig geworden und eine Küche geworden. Die Finanzen der Gemeinde werden für etwas anderes gebraucht. Am Ende der Krise werden wir sicherlich nicht mehr zum VORHER zurückkehren können. Und Leuten geben für soziale Zwecke. Welch eine Änderung im Denken. Corona - Danke!
 

Donnerstag, 21. Mai 2020

Menkaye ist tot

Er ist als alter Mann gestorben und war darauf vorbereitet. Seine Kräfte schwanden in den letzten Jahren. Er konnte nicht mehr auf Bäume klettern, kaum noch laufen. Vor über 6 Monaten brach er sich das Handgelenk, das ich, Eckehart, im einrenken konnte. Seine Knie zeigen starke Arthrose, alles Dinge, die die Menschen im Urwald jetzt lernen, denn das gab es bisher nicht. Menschen wurden nicht so alt.
Ich spreche von einem Huahurani, der ab und zu in unser Hospital kam. Er war Teil der Gruppe von Kriegern, die im Januar 1956 die 5 Missionare ermordeten, Jim Elliot, Nate Saint und drei weitere hatten versucht zu diesem Stamm mit dem Evangelium zu gelangen. Sie landeten auf einer Sandbank am Curarayfluß, bauten sich ein Baumhaus. Am nächsten Tag wurden sie überfallen und starben alle.
Ihre Mörder triumphierten über die 5, die sich nicht wirklich wehrten.
Es ist die Geschichte von Shell, denn von hier ging dann doch das Evangelium von Jesus Christus in den Dschungel, diesmal im zweiten Anlauf durch die Frauen und eine Schwester der Missionare. Es kam zu einer geistlichen Wende und es entstanden Gemeinden eigener Prägung und Kultur - Huahuranigemeinden eben. Und mitten drin die Mörder von damals, die längst ihre Tat bereuten und beim Aufbau der Gemeinde mithalfen.
Die Kultur der Indigenen veränderte sich bei den Meisten des Stammes. Das gegenseitige Morden hörte auf. Blutrache dezimierte die Bevölkerung seit langer Zeit. Wer über 40 Jahre wurde galt als Alter. Sie kannten keine Altersbeschwerden. Das hat sich jetzt geändert. Aber bei allen Beschwerden - die Freude über ein Neues Leben blieb. Die "Alten Herren", die immer wieder zu uns mit ihren Beschwerden kamen, strahlten etwas aus bei aller Sprachschwierigkeit.
Teil unseres Team ist eine Huauranifrau, dier wir eine Ausbildung als Schwesternhelferin finanzieren und die hier arbeitet. Sie ist die Enkelin von Menkaye. In ihrem Stamm gilt sie als Krankenschwester und ist geachtet, wenn sie dort auftaucht.
Unser Hospital sieht sich in der Nachfolge der 5 ermordeten Missionare, die damals bei Bau des ersten Hospitales, dem Holzbau auf Stelzen kräftig mitgearbeitet haben, dass es ein Hospital auch für Urwaldindianer wird. Geschichte bleibt nicht stehen. Sie wird fortgeschrieben. Menkaye hat jetzt den Stab an seine Enkelin weitergegeben. Wir freuen uns, so einen neuen Grundstein für die Huauranis legen zu dürfen.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Coronazeiten - hier und anderswo

  In Europa ist derzeit wohl die schönste Jahreszeit, hier in Shell ist Regenzeit d.h gelegentlich auch mal Sonne. Europa öffnet, hier die Menschen auch. Bisher haben die Hunde die Straße die meiste Zeit für sich selbst (Ausgangssperre 14:00 - 5:00). Jetzt holen sich mehr und mehr die Menschen ihre Freiheit zurück. "Hier werden Haare geschnitten - Eintritt durch die Hintertür!" stehen an einem geschlossenen Geschäft. Die Versorgung von Waren klappt immer besser. Neulich stand ein großes Auto vor unserem Hospital und Leute meinten: "So sahen mal Busse aus, wie wir sie von früher kannten!"
  Wir kommen kaum raus, außer Klaudia mit ihren Besorgungen in Puyo und dem Transport vom Personal. Eckehart hat seit 2 Monaten Shell nicht mehr verlassen außer beim Gemüseeinkauf 500 m entfernt.
Aber es geht uns gut: Wir haben mehr Kontakte denn je mit Freunden in der weiten Welt und der Gemeinde in Quito. Wir rufen viele mehr Menschen an als früher. Teamsitzungen der Gemeinde dauern jetzt 2 Std - fertig. Früher war das ein ganzer Abend. Jeder ist abends zuhause. Keine Wege mehr. Wieviel Umwege- Leerwege - machen wir oft??? Und trotzdem fehlt oft der direkte Kontakt. Gemeinsame Sitzungen im Schlafanzug zu machen, ist anders.
  Unsere Arbeit in Shell ist nicht weniger geworden. Nach einer Patientenflaute hat sich das deutlich gebessert, auch wenn noch keine Patienten mit dem Bus kommen können. Viele rufen uns an und mit einem Foto über WhatsApp schicken wir einen Behandlungstermin, mit dem sie die Kontrollen passieren können. Mehr und mehr Geburten kommen, auch geplante Kaiserschnitte..
Wir sind jeden Tag  froh über den Bau unseres Hospitales. Wir können drei Bereiche komplett trennen: Covid - 19 - Tests, normales Sprechstunde und stationäre Behandlung, sprich OPs. Drei verschiedene Eingänge.
   Die Patienten werden außerhalb des Gebäudes getrennt: Covid - Verdacht, Vitalzeichen gemessen - zum anderen Eingang unter ein Zeltdach geschickt - dort mit Sicherheitsabstand getestet, rausgeschickt und erhält sein Ergebnis der Antikörperprüfung nach 1 Std. Das Personal dort bis zur Unkenntlichkeit in Schutzkleidung versteckt. Am Ende werden sie "alkoholisiert" - abgesprüht werden alle Schichten der Schutzanzüge, Masken, Sichtschutz, Schuhe etc. Alkoholverbrauch ca 6 l pro Tag!!! Wir sind derzeit die einzige Teststelle in der Provinz. Mitarbeiter der Erdölfirmen, Militärs, Polizei und andere Behörden kommen nachmittags, wenn die anderen Patienten gegangen sind.  Der Rest der Klink läuft auch mit Sicherheitskleidung, aber in einem anderen Bereich und so kommen Menschen auch zur stationären Behandlung.
   Wir liefern dem Gesundheitsministerium allnachmittaglich die Zahlen. Deswegen ist Pastaza im Amazonastiefland die Provinz mit den meisten Infizierten. Indiogruppen haben geplant, sich abzuschotten. Aber immer wieder gab es Kontakte nach außen. Beispiel eine Familie am Rande von Shell. Unser Arzt macht einen Hausbesuch, weil der alte Vater Fieber und Husten hat. Der selbst im Test coronanegitiv (noch) aber alle anderen der Familie positiv getestet, obwohl sie gesund sind. Die tragen das Virus weiter!
Ein ganzes Dorf hat sich vor dem Virus schützen wollen und sich beim Medizinmann in dessen Haus angesteckt. Das Coronavirus hat unsere Gesellschaft erreicht.  
   Die Zahlen um uns herum steigen. Wir schicken die positiv getesteten nach Hause, ernstlich Erkrankte ins staatliche Hospital. Meldung an das Gesundheitsamt: Wenn die dann den Patienten besuchen wollen, ist er oft nicht zuhause, weil er bei anderen seiner Familie untergekommen ist. Wichtiger als wissenschaftliche Empfehlungen oder staatliche Maßnahmen sind familiäre Bindungen - oft bewirken sie das Gegenteil.
Uns geht es gesundheitlich und auch sonst gut. Wir haben finanzielle Hilfe von VIELEN erhalten - Danke!!!! Derzeit stöhnen wir mehr über die Arbeit, aber sie so effektiv wie lange nicht mehr. Danke für alle Begleitung!!!